"Wenn man einen Welpen mit nach Hause bringt, beginnt eine lebenslange Freundschaft"

Betsy Brevitz

Die Entwicklung des Welpen

Ab der Geburt durchläuft ein Welpe verschiedene Entwicklungsphasen, die entscheidend für seine Prägung sind. In den ersten Wochen ist sein Verhalten zunächst von angeborenen Instinkten geprägt. Schon bald beginnt der Kleine aber, seine Umgebung mit all den neuen Eindrücken wahrzunehmen. Diese frühen Erlebnisse beeinflussen maßgeblich seine weitere Entwicklung, sein Wesen und sein Verhalten als erwachsener Hund.


Es ist eine besondere Aufgabe des Züchters, diese Phasen so optimal wie möglich zu beeinflussen und die Entwicklung des Welpen zu fördern und ihm so den bestmöglichen Start ins Leben zu ermöglichen.

Die ersten zwei Wochen: Vegetative Phase

In den allerersten Lebenstagen dreht sich für den Welpen alles um Wärme, Nahrung und Geborgenheit. Unmittelbar nach der Geburt wird der kleine Welpe von seiner Mutter gereinigt und schon steht die erste Herausforderung an, den Weg zur Milch zu finden. Instinktiv robbt der Neugeborene zu Mamas Zitzen. Dabei muss er sich gegen seine Wurfgeschwister durchsetzen, um einen Platz zum Trinken zu ergattern. Dieser erste „Kampf“ um die beste Zitze bedeutet zwar Stress für den Winzling, doch er ist wichtig, denn aus eigener Kraft hat der Welpe sein erstes Erfolgserlebnis und wird mit wohliger Sättigung belohnt.

Die folgenden zwei Wochen verbringt das Welpchen hauptsächlich damit, zu trinken, zu schlafen und zu wachsen. Augen und Ohren sind noch geschlossen, der Geruchssinn ist erst schwach ausgeprägt. Der kleine Körper kann die Temperatur noch nicht selbst regulieren, daher ist das Neugeborene auf die Wärme und Fürsorge der Hundemama angewiesen. Diese umsorgt ihre Babys hingebungsvoll, hält sie sauber und spendet Nähe. So zerbrechlich der Welpe in dieser Phase erscheint, steckt er doch voller Lebenskraft. Als Züchterin sorge ich in dieser Zeit für eine sichere Wurfkiste mit angenehmer Wärme und achte darauf, dass alle Welpen genug trinken und an Gewicht zulegen.

Dritte Woche: Übergangsphase

Etwa ab der dritten Lebenswoche beginnt für den Welpen die sogenannte Übergangsphase, für mich auch eine Art „Daseinsphase“, in der der kleine Hund allmählich in der Welt ankommt. Langsam öffnen sich die Augenlider und Gehörgänge. Zunächst kann der Welpe zwar noch nicht gut sehen oder hören, aber mit jedem Tag nimmt seine Wahrnehmungsfähigkeit zu. Auch die ersten Milchzähnchen brechen durch. Man merkt richtig, wie der Kleine wachsendermaßen aktiver und aufmerksamer wird: Jetzt beginnt er, seine unmittelbare Umgebung wahrzunehmen und neugierig darauf zu reagieren. Der Welpe ist nun wirklich da,  er nimmt Kontakt zu seinen Geschwistern auf, erkundet tapsig seine nähere Umgebung und reagiert auf Geräusche oder Bewegungen, so gut es ihm schon möglich ist.

Diese ersten drei Wochen verlaufen insgesamt noch relativ ruhig. Für uns als Züchter bedeutet das vor allem viel beobachten und behüten, täglich wiege ich die Welpen und überprüfe ihr Wohlbefinden. Die Mutterhündin und ich bilden ein eingespieltes Team, das die Grundbedürfnisse der Kleinen zuverlässig erfüllt. Noch halten sich die Abenteuer in Grenzen, doch das wird sich bald ändern.

Woche 4 bis 12: Prägungs- und Sozialisierungsphase

Ab der vierten Woche geht die Entwicklung des Welpen rasant voran. Augen und Ohren sind nun vollständig geöffnet, der Welpe kann sehen, hören und immer besser mit seiner Umwelt interagieren. Seine Körperfunktionen arbeiten jetzt selbstständig (er kann sich z.B. schon allein lösen), und der kleine Hund beginnt aktiv seine Welt zu erforschen. Jetzt ist Spielzeit: Er tollt mit seinen Wurfgeschwistern herum, erkundet neugierig jeden Winkel und liefert sich die ersten spielerischen Raufereien. In dieser Phase entstehen bereits kleine Rangkämpfe innerhalb des Wurfs, in denen jeder Welpe seinen Platz in der Geschwistergruppe austestet.

Man nennt diese Lebensphase nicht ohne Grund die Prägephase. Alles, was der Welpe jetzt an positiven Eindrücken sammelt, prägt seinen Charakter nachhaltig. Die Grundlagen für sein späteres Verhalten werden gelegt. Ein Welpe, der in diesem Alter vielfältige Erfahrungen macht, wird als ausgewachsener Hund in den unterschiedlichsten Situationen selbstbewusster und weniger ängstlich reagieren. Umgekehrt können negative Erfahrungen oder fehlende Reize in dieser sensiblen Zeit später nur schwer wieder gutgemacht werden. Deshalb achte ich sehr darauf, dass meine Welpen nun behutsam möglichst viel kennenlernen: verschiedene Menschen (auch Kinder), Alltagsgeräusche, unterschiedliche Umgebungen, neue Spielsachen und auch andere Tiere wie zum Beispiel unsere Katze. So entwickelt der kleine Hund ein gesundes Verhältnis zu allem, was seine Umwelt ausmacht.

Gerade in dieser Phase tragen wir Züchter eine große Verantwortung. Der Welpe verbringt seine ersten Lebenswochen vollständig in unserer Obhut und wir haben es in der Hand, ihm einen optimalen Start zu schenken. Ich lege großen Wert darauf, dass meine Welpen nicht isoliert in einem stillen Kämmerchen aufwachsen. Von Anfang an dürfen sie am normalen Familienleben teilnehmen: Sie hören den Staubsauger, lernen Alltagsgeräusche kennen, schnuppern frische Luft im Garten (je nach Wetter) und bekommen Besuch von vertrauten Menschen. Natürlich alles dosiert und dem Alter entsprechend, damit die Kleinen weder überfordert noch gefährdet werden. Ein Welpe, der nur eine stille, reizarme Umgebung kennt und dem aus übertriebener Vorsicht das „Leben draußen“ vorenthalten wird, hätte es später deutlich schwerer, sich zurechtzufinden. Das wäre unfair dem Hund und auch seinen künftigen Besitzern gegenüber. Daher sorge ich persönlich dafür, dass jedes meiner Welpen in dieser prägenden Zeit liebevoll gefördert wird und viele positive Erfahrungen sammeln kann.

Der 3. bis 5. Monat: Sozialisierung im neuen Zuhause

Mit etwa 8 bis 12 Wochen zieht der Welpe in der Regel in sein neues Zuhause zu seiner Familie. Die primäre Sozialisierungsphase ist dann zwar abgeschlossen, doch die kommenden Wochen bleiben für sein soziales Verhalten weiterhin ungemein wichtig. Für den kleinen Hund ist der Umzug ein großer Einschnitt, zum ersten Mal steht er ohne seine Mutter und Geschwister auf eigenen Pfötchen. Doch ein gut sozialisierter Welpe wird sich schnell eingewöhnen. Er ist neugierig, verspielt und bereit, sich in sein neues Rudel zu integrieren. Jetzt heißt es für die neuen Besitzer: dran bleiben und all das fortführen, was der Züchter begonnen hat. Der junge Hund braucht nach wie vor viel liebevollen Kontakt zu Menschen, zu Artgenossen und eine Umgebung, in der er gefahrlos lernen und entdecken kann. Sein natürlicher Entdeckungsdrang sorgt dafür, dass er mit Freude spielen, toben und Neues erkunden will, was sich äußerst positiv auf seine geistige Entwicklung und Gesundheit auswirkt.

In der neuen Familie muss der Welpe nun seinen Platz finden. Er lernt die Routine im Haushalt kennen und beginnt, sich in die Familienhierarchie einzuordnen. Diese Phase wird auch manchmal als Rangordnungs- oder Rudelphase bezeichnet, denn der Hund orientiert sich jetzt stark daran, wer zu seinem neuen „Rudel“ gehört und welche Position er darin einnimmt. Für Sie als Halter ist dies eine wunderbare und wichtige Zeit, um durch viel Zuwendung und konsequente Erziehung eine enge Bindung aufzubauen. Je mehr Sie sich jetzt mit Ihrem jungen Hund beschäftigen, desto stärker wird das Vertrauen zwischen Ihnen beiden.

So niedlich der kleine Vierbeiner auch ist, bitte sehen Sie ihn nicht nur als Schmusetier, das man ständig auf Händen trägt. Übermäßiges Verwöhnen ohne Regeln würde ihm auf Dauer nicht guttun. Ihr Welpe möchte nun vor allem lernen, gefördert werden und seinen Platz in Ihrer Gemeinschaft finden. Mit ein bisschen Anleitung wird aus dem tapsigen Welpen ein folgsamer Begleiter: Bringen Sie ihm spielerisch erste Grundkommandos bei, zeigen Sie ihm geduldig die Welt außerhalb des Hauses und sorgen Sie für ausreichend Spiel- und Kuschelzeiten. Wichtig ist dabei eine liebevolle Konsequenz: Der Kleine sollte von Anfang an sanft erfahren, welche Grenzen gelten und dass letztlich Sie der „Rudelführer“ sind, zum Beispiel indem Sie bestimmen, wann gespielt wird und wann das Spiel vorbei ist. Diese Orientierung gibt dem Welpen Sicherheit und macht es ihm leichter, sich zu einem ausgeglichenen Hund zu entwickeln.

Mit viel Liebe, Geduld und klarer Führung legen Sie in diesen Monaten den Grundstein für ein harmonisches Zusammenleben. So beginnt eine wunderbare, lebenslange Freundschaft zwischen Ihnen und Ihrem Hund, die ein Leben lang halten wird.